Für Ärzt*innen

ICF – Anwendung

ICF anwenden heißt nicht Codieren sondern in neuen Dimensionen denken und handeln

Symptome und Funktionseinschränkungen chronisch kranker Kinder bestehen meistens ein Leben lang. Kinder und Eltern wollen von Ihnen die beste medizinische Behandlung. Sie brauchen aber auch von Ihnen eine Beratung, wie sie damit gut leben können. Und dabei wollen und müssen Kinder und Eltern mitreden können.

ICF-basierte Kompetenzen erwerben, um zufriedenstellend und erfolgreich zu arbeiten

Den Alltagsbedarfen chronisch kranker Kinder gerecht zu werden, stellt neue Anforderungen an Ärzt*innen. Die dafür notwendigen Kompetenzen können Sie bei uns erwerben. Mit diesen ICF-basierten Kompetenzen sind Sie in der Lage, die Dimensionen der Teilhabe von Kindern in Ergänzung zum Krankheitsbild systematisch zu erfassen und mit Kind und Eltern qualifiziert zu besprechen.

Beispiel

Ein 9-jähriger Junge, Moritz mit Osteogenesis imperfecta Typ IV, ist wegen chronischer Schmerzen bettlägerig geworden. Physiotherapie und Schmerzmedikation änderten daran nichts. Fachärztliche Untersuchungen konnten die Ursache nicht klären. Es wurde ein psychosomatisches Schmerzsyndrom vermutet.

Der Schlüssel zur Reduktion der Schmerzen und Mobilisierung des Jungen wurde
über teilhabeorientierte Gespräche mit dem Jungen und getrennt davon mit den Eltern gefunden.

Es stellte sich heraus, dass die Eltern entsprechend eines fachärztlichen Rats, den Jungen unentwegt und vor allem in der Schule zum Laufen angehalten hatten. Sie sorgten sich, er könne steif werden, wenn er nicht mehr laufe und sich im Rollstuhl ausruhe. Sie vermuteten hinter der Bettlägerigkeit eine Schulangst.

Sie hatten dabei übersehen, dass der kaum lauffähige Junge sich auf dem Schulhof unsicher fühlte und auch schon mehrfach umgerannt worden war. Das hatte zu schmerzhaften Knochenbrüchen geführt, die wegen der Marknägel aber nicht dislozierten. Er wollte sich lieber in der Schule mit einem Rollstuhl fortbewegen dürfen, traute sich aber nicht das zu sagen. Und er wollte, anders als vermutet, in die Schule – aber er brauchte dort Sicherheit und Schmerzfreiheit. Bei der Befragung zu dem was der Junge konkret im Alltag macht, stellte sich zudem heraus, dass er sich trotz der Schmerzen in der Wohnung problemlos im Bärengang fortbewegen konnte (Aktivitätskompetenz im Lebensbereich Mobilität d4 nach ICF).

Die Teilhabeeinschränkung im Lebensbereich Schulbesuch (d8 nach ICF), war also durch die falsche Fortbewegungsart in der Schule bedingt. Der Rollstuhlgebrauch in der Schule und das Rollstuhltraining waren also die notwendigen Umweltanpassung (e2 nach ICF) und das Umdenken der Eltern, dass nicht der Arzt festlegt, wann und wo Moritz läuft, sondern er selbst (Teilhabepräferenzen des Jungen berücksichtigen). Das Laufen in der Schule stellte sich also als Teilhabeeinschränkung im Lebensbereich Mobilität (d4 nach ICF heraus).

„...also Teilhabe klingt wirklich nicht sexy, ich darf das doch sagen. Aber dass die Ärzte jetzt endlich mal mit mir gesprochen haben und nicht schon wieder über mich mit meinen Eltern und was so alles bei mir scheinbar nicht stimmt, das war cool. Da konnte ich endlich mal sagen, was mich stört und vor allem was ich kann und will.“

Zitat eines Kindes

„... dieses Codieren hat mich schon abgeschreckt. Jetzt habe ich kapiert, dass es darum gar nicht geht. Sobald die Diagnose klar ist, kann ich jetzt anstatt die Kinder immer wieder nach Schema XY zu untersuchen und auf ihre Defizite zu schauen, die Zeit besser für ein nach ICF gut strukturiertes Gespräch mit der Familie nutzen. Das bringt echt was.“

Zitat einer ärztlichen Seminarteilnehmerin

Benefit der Seminare

Sie lernen

  • die Lebenssituation der Betroffenen aus der Perspektive des Kindes zu denken und alle Lebensbereiche, die für das Kind wichtig sind, nach ICF zu berücksichtigen
  • die medizinischen, psychologischen & pädagogischen Aspekte (ICD, s,b) in den Kontext von Teilhabepräferenzen und Teilhabeziele der Kinder und Jugendlichen zu setzen
  • die Aktivitätskompetenzen sowie Teilhabemöglichkeiten (a,p,d) gemeinsam daraus abzuleiten
  • mit dem Kind und den Eltern gemeinsam geeignete Maßnahmen abzustimmen, so dass förderliche Handlungsbedingungen in der Alltagswelt (e) entstehen und das Kind darin wirken kann und sich wohl fühlt

Sie erfahren damit

  • eine zufriedenstellendere Arbeitsweise
  • Entlastung durch Gesprächsführungsskills